Lösungsansätze:
1. Ein neues Curriculum
Der übliche lineare Ansatz, funktional und fachlich einwandfrei Schutzkonzepte in den Raum zu stellen und abzuwarten, was passiert, reicht nicht aus. Denn ein Problem, das keine Anomalie, sondern die notwendige Folge von Beziehungsgestaltung darstellt, wird nie von sich aus verschwinden. Deshalb braucht der Personenschützer, wie jeder Partner, der auf Zeit und intensiv in ein Familiensystem eintritt, spezifische Ressouren, weil er in eine ganze Reihe von emotionalen „Spielen“ hineingezogen werden kann: sei es zur Provokation der Eltern, als Adressat der erlebten Einschränkung der männlichen Schutzrolle oder als emotionales Objekt für Beschützerphantasien!
2. Psychologische „Hausaufgaben“erledigen
Rollenklärung, Selbstreflexion und ein bewusster Umgang mit den eigenen Bedürfnissen im Spannungsfeld von Nähe, Distanz, Stabilität und Wechsel. „In wiederkehrenden Workshops versuchen wir, bei unseren Mitarbeitern ein Sensorium für unausgesprochene Erwartungen, atmosphärische Störungen und andere Symptome versteckter Konflikte zu entwickeln. Man muss also bis zu einem gewissen Grad wieder ‚lernen zu fühlen‘. Mit dem Denken allein sind wir, wie ein Computer, festgelegt auf die Parameter 0 und 1. Damit kann man viel bewerkstelligen, aber eben nicht alles! Wir haben im Rahmen der Konfliktprävention und -moderation gute Erfahrungen mit ehrlichen und vertrauensvollen Dialogen zwischen Sicherheitsbegleiter und Schutzperson gemacht, in denen man sich als Mensch und nicht nur als Funktionsträger begegnet. Es ist legitim und wichtig, die rein sachliche Ebene bewusst zu verlassen, um informelle und emotionale Inhalte zu platzieren. Sowohl initiale Sensibilisierungsgespräche aber auch institutionalisierte Jours Fixes bieten gute Gelegenheiten, um zum gemeinsamen Erwartungsabgleich einzuladen und konfrontative Positionen abzubauen, denn diplomatische Schnörkeleien helfen in der Regel nicht weiter.
Fazit:
Je tiefer unser Verständnis für die relevanten psychologischen Zusammenhänge entwickelt ist, umso eher wird es uns gelingen, Schutzpersonen zu vermitteln, wo persönliche Grenzen liegen. Wer sich die entsprechenden Denk- und Handlungsräume eröffnet, versetzt sich damit in die Lage, auch schwierige Schutzaufträge zielführend zu steuern. Vor diesem Hintergrund muss die psychologische Aus- und Fortbildung von Personenschützern breiter aufgestellt werden. Es ist völlig unverständlich, warum Coaching und Supervision als anerkannte Methoden der Personal- und Persönlichkeitsentwicklung im Leistungssport längst etabliert sind, im professionellen Personenschutz aber kaum oder nur restriktiv eingesetzt werden.
Quellenhinweis: Security Insight, Ausgabe 02/2014, S. 54 ff., https://prosecurity.de/security-insight